Rallye Premiere

 

 

„BMW? Durchgefallen!“ sagt der Prüfer bei der technischen Abnahme mit einem Augenzwinkern. Die weiß-blaue Marke ist wohl nicht sein Favorit. Dass ich statt Flipflops Crossstiefel tragen werde, kann ich dem Prüfer glaubhaft machen. Die fehlenden Blinker können durch Handzeichen ersetzt werden. Es lässt sich ganz ganz locker angehen bei der Rallye Dalmatia in Kroatien. Doch als sich das Fahrerlager füllt, kommt schnell Nervosität auf. Zelte werden gestellt, Hebelifte aufgebaut, Kompressoren laufen. Echtes Rallyefeeling.

 

Nachmittags geht es dann geschlossen im Korso von 80 Fahrern die 25 km zum Start des Prologs. 16,7 km, die es in sich haben, stehen an. Gestartet wird im Minutentakt, heute nach Startnummern, ab morgen nach Ergebnis des Vortages – der Erste startet zuletzt. Fahrerisch einfach, aber navigatorisch verzwickt geht es durch die Ginsterbüsche. Ich bin überrascht, am Ende als 14. im Ziel zu sein. Schon da wird deutlich, dass sich die vielen Roadbook-Trainingskilometer in Holland, Frankreich und Belgien auszahlen

 

Die erste Etappe geht über 197 km Roadbookstrecke. Ich bin ganz aufgeregt, weil ich erst sehr spät starten darf. Die Navigation klappt wieder sehr gut, sodass ich frühzeitig an der ersten Sonderprüfung ankomme und noch genug Zeit habe, mich auszuruhen und einen Müsliriegel zu essen.

Die Sonderprüfungen werden auf Bestzeit gefahren und ergeben in der Addition das Gesamtergebnis. Die Verbindungsetappen zwischen den Sonderprüfungen werden nicht gewertet, müssen aber in der Sollzeit gefahren werden, sonst gibt es Strafzeiten. Auch zur zweiten Sonderprüfung komme ich pünktlich. Im Ziel der ersten Etappe höre ich ein seltsames Knacken im Hinterrad – also schnell noch Radlager wechseln, bevor das Motorrad in den Parc Fermé muss.

Nach Dusche, Essen und Briefing muss ich noch das Roadbook für die Marathonetappe kleben und markieren – 58 Blätter, 400 Bilder, 343 km. Oops, schon 0.30 Uhr!

 

Für mich geht es um 7.54 Uhr auf die Strecke, die ersten Starter müssen schon um 7 Uhr los. Da heißt es früh aufstehen, frühstücken, Roadbook einrollen, umziehen und los. Auch heute habe ich keine Probleme. Nur ein Bauer, der mit seinem Auto den Weg blockiert und die Polizei rufen will, produziert einen Stau von 35 Motorrädern. Nach kurzem Telefonat mit dem Rennbüro ist eine Lösung gefunden und es geht mit geänderter Streckenführung weiter zur Sonderprüfung. Dort sitzen alle im Schatten und warten auf ihre Startzeit. Nach neun Stunden, davon ca. acht Stunden Fahrzeit, ist endlich das Ziel erreicht und die meisten Fahrer froh, dass morgen Ruhetag ist.

 

Da heißt es ausschlafen, Mopedservice, Luftfilter und Öl wechseln und ab zur Strandpromenade, Eis essen und Kaffee trinken. Bei Temperaturen um die 25 Grad sehr entspannt.

 

Am nächsten Tag geht es wieder auf die steinigen Pisten. Sand sucht man hier vergebens. 284 km sind zu bewältigen. Dieses Mal sind die zwei Sonderprüfungen mit 20 bzw. 40 km länger als sonst, hier kann das gesamte Klassement durcheinander gewürfelt werden. Auch heute komme ich gut zurecht, verfahre mich zwar in Sonderprüfung 1, sehe aber den nach mir gestarteten Fahrer und hänge mich an ihn dran. Viele Fahrer haben Navigationsprobleme, und so gewinne ich letztendlich Zeit. ‚Das läuft zu glatt bei meiner ersten Rallye’, denke ich.

 

Freitag der letzte Fahrtag, 224 km. Ich starte recht spät, hinter mir starten nur noch 9 Fahrer. Schon im ersten Buschgebiet verfahre ich mich gewaltig, finde den Weg nur mit viel Glück und Sucherei wieder. Jetzt aber schnell, denke ich, aber schon zehn Kilometer später stehe ich wieder irgendwo auf der Wiese und habe keine Ahnung wohin. Die hinter mir gestarteten Fahrer sind sicher alle schon durch, also kommt auch niemand mehr, an den ich mich dranhängen könnte. Irgendwie gelingt es mir, wieder auf den richtigen Wege zu finden, nur rennt mir die Zeit weg, und ich will keine Strafzeit riskieren. Also Attacke! Rechtzeitig kurz vor meiner Startzeit bin ich an der Sonderprüfung und kann zügig in den steilen, tief schotterigen Hang starten. Nach 850 Metern geht der Weg in eine gute Schotterpiste über, die sich in Serpentinen auf den 1044 Meter hohen Pass windet. Die Enduros über 180 kg sowie die Damen müssen das steile Stück nicht fahren, sondern dürfen einen einfacheren Weg nehmen.

 

Nach der Sonderprüfung beschließe ich, mich mehr zu konzentrieren und langsam zu fahren, damit ich meine Platzierung nicht noch verliere. Dann klappt auch alles sehr gut und so komme ich pünktlich und überglücklich bei meiner ersten Rallye ins Ziel.

 

Dass auf dem kurzen Weg vom Fahrerlager zum Hotel eine Bar liegt, kommt wie gerufen und dort treffen sich viele Fahrer zum Feierabendbierchen.

 

Bei der Siegerehrung am Abend nehmen Tobias, Ulli und ich völlig überrascht und stolz den Pokal für den zweiten Platz in der Teamwertung entgegen. Die Rallye gewinnt Bernhard Pitzl (AUT) vor dem mehrfachen Dakarfahrer Marco Borsi (I), Luigi Sala (CH) und Stefan Heßler (D), der auch gleichzeitig die Klasse Enduro 180kg+ vor Ferdinand Kreidl gewinnt. Für mich ist Gesamtrang 13 ein tolles Ergebnis, mein Ziel „nur nicht letzter werden“ habe ich mehr als erreicht.

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